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ELBENFELD         
 


Elbenfeld im Schilfmoor
AUS  DEM  TAGEBUCH  DES
GERION  WELZELIN

--Reise durch die Elfenlande im Jahre 17 Hal--


Welche Gegensätze doch im schönen Donnerbach vereint sind. Ferab des großstädtlichen Gareth haben die Götter ein Paradeis für die Sinne geschaffen. Hier das pulsierende Städtchen mit seinen kleinen Gäßchen, auf denen Besucher aus Lowangen, Trallop, Norburg oder Gashok flanieren, die stolzen Krieger in Bronce und Silber ihre prächtigen Rüstungen zur Schau tragen oder die kleinen Handwerker emsig hin- und hereilen, und dort das beschauliche Elbenfeld - jener Stadtteil, den das Schöne Volk zur Gänze für sich hat. Und wahrhaftig, kaum lenk' ich meine Schritte ein wenig abseits des Trubels, schon umgibt mich langsam aber sicher der Zauber der Elfen. Es scheint, als hielte die Welt ihren Atem an: Zeit wird zu einem allzu menschlichen Begriff voll von Schwäche und Vergänglichkeit - zu einem Begriff, der hier ganz und gar unwichtig ist.

Die Pfade sind trickreich heute!" So klingt ein gut gemeinter Ratschlag eines Bauern noch in meinen Ohren, als ich ihn im Städtchen nach dem Weg gen Elbenfeld gefragt hatte. Doch dafür hatte ich nur ein mildes Lächeln übrig. Welch' Torheit! Da stand ich nun am Rande einer sumpfigen Au, auf der das saftige Gras und das hohe Schilf sich leicht im Spiel des Windes bewegten. Vor meinen Augen zeichneten sich bereits gegen das Licht der Morgensonne die ersten elfischen Pfahlbauten ab. Die Anzahl schätzte ich auf ein gutes Dutzend. Zwischen den Büschen glucksten unschuldig kleine Wasserpfützen, von denen ich bereits jetzt ahnte, daß sie einen ungeschickten Wanderer wie mich mit Haut und Haaren verschlucken würden. Dunstige Nebelschwaden, die langsam vom See heraufzogen, hingen dicht über dem Boden und schimmerten in der Morgensonne. Ich wagte es, sandte ein Stoßgebet zum listigen Phex, auf daß er mir beistehe, und sprang zum nächsten Grashügel in der Hoffnung, daß ich nicht sogleich einsänke. Zack! Mit einer sauberen Landung kam ich zum Stehen, spürte den festen Boden unter meinen Füßen und atmete erleichtert auf. Fortan ging es weiter, von Hügel zu Hügel, und immer eleganter, je weiter ich mich fortbewegte!

Ich mag wohl an die fünfzig Schritt weit gekommen sein - der Schweiß stand mir bereits in feinen Perlen auf der Stirne - da gelangte der liebliche Klang einer überderisch schönen Stimme an mein Ohr: "Sanya'bha telor, dala ôa gi'al sela vi ia bha. Sa'biunda lala a'lee. Fey'dha Kyrieiôn." Mit rudernden Armen kam ich zum Stehen. Sichtlich verdutzt sah ich mich um und blickte geradewegs in das weiße, von braunen langen Haaren umrahmte Antlitz eines lachenden Elfen. Nicht wissend, ob er mich an- oder auslachte, erwiderte ich freundlich seinen Gruß und entschuldigte mich sogleich für mein rüpelhaftes Eindringen ins elfische Gebiet. Um so erstaunter war ich, als er mir in akzentfreiem Garethi versicherte, daß dies nicht weiter schlimm sei. Aber, wenn ich denn wolle, könne ich noch ein wenig von ihm lernen. Er lud mich ein, ihn zu seinem Heim zu begleiten. Ich nahm seine Einladung an und folgte seinen Fußstapfen. Besser gesagt, ich folgte seinem Weg, denn seltsamerweise sank er überhaupt nicht ein, während ich doch ein wenig mit dem seichten Untergrund zu kämpfen hatte.

Mein elfischer Führer versäumte es glücklicherweise nicht, ab und an innezuhalten und mich auf die Sehenswürdigkeiten des Elbenfelds aufmerksam zu machen. Die sogenannten Pfahlbauten hatte ich mir etwas anders vorgestellt - nämlich als einfache Holzhütten, die man zum Schutze vor Wasser und Schlamm auf Stelzen gesetzt hatte. Bei einer Reise durch's Svelltland hatte ich unlängst so etwas gesehen. Doch die elfischen Behausungen hatten mitnichten etwas mit jenen Stelzenhäusern in Tiefhusen und Tjolmar zu tun. Sie hatten eher etwas von größeren Biberburgen an sich, die derartig mit der Landschaft verschmolzen, daß sie dem Blick des unaufmerksamen Beobachters leicht entgehen konnten. Die eingeschossigen Bauten waren mit Schilf und allerlei Pflanzenwerk bedeckt. Von außen waren einige runde Öffnungen zu sehen, die offensichtlich Fenster darstellten. Von Kyrieiôn, meinem elfischen Begleiter, erfuhr ich, daß die Dächer aus einer Mischung aus Lehm, Blättern, Seetang, Bausch, Moos und noch zahlreichen anderen Materialen gefertigt seien, die das Innere sogar vor stärksten Regenfällen schützten. Doch ich nehme stark an, daß hier eine gehörige Portion Magie mit im Spiel ist!

Es dauerte auch gar nicht lange, da kamen wir an Kyrieiôns Heim an. Am Eingang wurden wir bereits neugierig von einer Elfe, vermutlich seine Ehefrau, und einer Kinderschar empfangen. Nie werde ich dieses sanfte Gezirpe und Gesäusel vergessen, das mich von nun an umgab. Kyrieiôn war übrigens als einziger des Garethi mächtig, wie sich herausstellte. Das Innere des Bauwerks, dessen Luft vom würzigen Duft nach Kräutern erfüllt war, war durchaus sehenswert und so völlig anders als sich der menschliche Verstand dies vorstellen mag. Der Boden war mit weichem, trockenem Moos gepolstert. Vom sumpfigen und morastigen Untergrund fehlte jede Spur. Die Wände waren kunstvoll aus Schilf, Blüten, grünen Zweigen und sonstigem Pflanzwerk gefertigt. Die sich ergebenden Muster und Ornamente erinnerten beinahe schon an Bilder oder gar an eine Art Schrift. Immer wieder gab es neue Verästelungen und Windungen zu entdecken, die auf wundersame Weise einen Sinn zu ergeben schienen. Schon jetzt bekam ich eine ungefähre Vorstellung davon, wieviel Arbeit es bereiten mußte, dies alles in Ordnung zu halten. Mobiliar im menschlichen Sinne fehlte hingegen völlig. Sitzgelegenheiten bestanden entweder aus entsprechend geformten Wurzeln und Baumstämmen oder aus einfachen Schilfmatten. Alles schien so, als wäre es aus einer Laune der Natur heraus ganz zufällig so gewachsen.

Die Frau des Hauses versorgte alle mit kräftigem Kräutertee und fruchtigem Naschwerk, während Kyrieiôn mir so vieles über die Lebensart der Auelfen berichten konnte. So erfuhr ich, daß in Donnerbach drei große Auelfensippen ansässig seien. Viele Elfen pflegten gute Kontakte zu den Menschen, insbesondere zu den Magiern der hiesigen Akademie. Gerne schickte man die Kinder dorthin, um Geist und Gabe zu kräftigen. Zudem sei man viel unterwegs: auf der Jagd, zu Besuch bei befreundeten Sippen oder aber bei der Kräutersuche. Nicht zuletzt lernte ich sogar ein paar elfische Begriffe, die sich allerdings aus meinem Munde eher orkisch denn elfisch anhörten. Natürlich wußte ich auch die ein oder andere Geschichte zum besten zu geben, die Kyrieiôn für seine Familie übersetzte. Doch im Vergleich zu der zauberhaften Welt der Elfen schienen mir meine Beiträge eher langweilig und farblos.

Mein Besuch bei Kyrieiôn und seiner Familie endete irgendwann spät am Abend. Sein Angebot, mir ein Lager für die Nacht herzurichten, lehnte ich dankend ab. Um ehrlich zu sein, dürstete mich nach einem frischen Bier und kräftigem Schnappes, den ich wohl nur in einer ordentlichen Schänke bekäme! Wie dem auch sei, ich verabschiedete mich dankbar und den besten Wünschen (auf Isdira versteht sich!) und machte mich unter Kyrieiôns Führung auf den Rückweg...




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Brief an den Statthalter Zurück in die Innenstadt Letzter limbischer Applicatus: 2001-04-13, Ariston C. vom Rabenstein
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